Interview

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Nicolas Günter

Fahrlehrer mit eidg. FA
SVEB Zertifikat Kursleiter

Du bist bekannt für deinen freundlichen und ruhigen Umgang mit den Fahrschülerinnen und -schülern. Verlierst du wirklich nie die Nerven?

Nein, wirklich nicht. Ich mag Menschen und ihre unterschiedlichsten Charaktere. In der Ausbildung lernt man zudem, mit verschiedenen Menschen klarzukommen. Und wenn jemand etwas nicht begreift, dann liegt es an mir, ein Aha-Erlebnis herbeizuführen. Es gibt zum Beispiel Menschen, die links und rechts verwechseln. Da rate ich zu unterschiedlichen Nagellacken oder zu einem Fingerring. Nicht mein Stil ist es hingegen, Schockeffekte herbeizuführen. Ich lasse zum Beispiel nie einen Schüler ins Fahrverbot rasseln, um ihm den Fehler dann per Vollbremsung vor Augen zu führen.

In so vielen gemeinsam verbrachten Stunden im Auto werden die Gespräche auch mal persönlicher. Bist du auch ein bisschen Psychologe?

Das zieht sich durch mein ganzes Leben. Menschen haben mir schon immer ihre Geschichten erzählt. Ich sehe das als Vertrauensbeweis und versuche, diesem Vertrauen gerecht zu werden. So nehme ich zum Beispiel Rücksicht auf momentane Befindlichkeiten. Wenn ich sehe, dass eine Lektion einfach keinen Sinn hat, weil jemand durch ein Problem absorbiert ist, dann biete ich auch mal an, einfach einen Kaffee trinken zu gehen. Mir geht es nicht ums pure Unterrichten. Ich möchte für meine Schüler:innen auch Coach sein, der sie trägt, wenn es mal nötig ist.

Hast du deshalb dein Angebot um Fahrstunden erweitert, die auf Menschen mit ADHS/ADS und Angststörungen zugeschnitten sind?

Tatsächlich ergab es sich während meiner inzwischen sechsjährigen Tätigkeit als Fahrlehrer immer wieder, dass ich Schüler:innen mit ADHS oder Ängsten hatte. Ich merkte schnell, dass Menschen mit solchen Voraussetzungen andere Bedürfnisse haben. Natürlich kommen mir meine Empathie, meine Geduld und mein Helferinstinkt zugute. Und es entspricht auch meinem Wesen, keinen 0815-Unterricht zu geben, sondern individuell auf jeden einzelnen Menschen, mit oder ohne Störung, einzugehen.

Hast du spezielle Techniken oder Methoden für den Fahrunterricht mit ADS/ADHS-Betroffenen?

Menschen mit ADS/ADHS haben Mühe, den Fokus zu halten, Reize zu filtern und sich in ihren Gedanken nicht zu verlieren. In den Fahrstunden achte ich deshalb darauf, Anweisungen zu wiederholen und mit dem richtigen Mass an Dialog den Fokus aufrechtzuerhalten. Die richtigen Massnahmen leiten sich aber aus dem Erstgespräch ab, in dem wir zusammen ermitteln, wo die Schwächen liegen und auf welche Ressourcen wir zurückgreifen können.

Du bietest ausserdem Fahrcoachings für Menschen mit Angst vor dem Autofahren an. Was brauchen diese Menschen von dir?

Zunächst Verständnis. Aus eigener Erfahrung weiss ich, wie es ist, wenn man zum Sklaven der eigenen Angst wird, weil man anfängt, bestimmte Situationen zu meiden. Ich weiss auch, wie viel Überwindung es kostet, sich der Angst zu stellen. Ich kann diesen Menschen einen sicheren, ruhigen Rahmen bieten, in dem sie sich ihre Freiheit Stück für Stück zurückerobern. Wir tasten uns ganz langsam ohne Druck und Überforderung an die angstbesetzten Situationen ran und nutzen Atemtechniken als wirkungsvolle Helfer. Bald stellen sich Erfolgserlebnisse ein, die das Vertrauen für den nächsten Schritt stärken.

Vertrauen vermittelst du auch älteren Menschen, die nach Jahren, in denen der Partner gefahren ist, das Steuer wieder übernehmen möchten, sich aber nicht trauen ...

Ich zeige ihnen auf, wie viele Ressourcen ihnen noch zur Verfügung stehen, um trotz langsamerer Reaktionszeiten und schlechterer Augen sicher zu fahren. Die meisten stellen schnell fest, dass die Rückkehr ans Steuer einfacher ist als gedacht und sogar Spass macht. Am besten ist, gar nicht lange nachzudenken, sondern einfach mal anzurufen. Wir machen eine Bedarfsanalyse, üben gezielt auf jenen Strecken, die sie brauchen und jene Bereiche, die Respekt einflössen, zum Beispiel Manöver wie Parkieren oder die Vollbremse.

Du sprichst auch Menschen an, die dreimal durch die Fahrprüfung gefallen sind. Besteht überhaupt Aussicht auf eine erfolgreiche vierte Prüfung?

Auf jeden Fall. Das Problem liegt selten bei ihnen, sondern bei einer schlechten Vorbereitung. In der Vorbereitung auf die vierte Prüfung gehe ich – wie mit allen Schüler:innen – ganz strukturiert vor: Die Lektionen orientieren sich an den Lernzielen, die wir nacheinander durcharbeiten und jeweils in der Folgestunde repetieren und reflektieren. Am Ende sitzen sämtliche Bereiche absolut sicher. Eine Ausnahme bilden jene Anwärter:innen für die vierte Prüfung, bei denen eine aussergewöhnliche Prüfungsangst zum Scheitern führte. Ihnen rate ich, sich mit einer Fachperson in Verbindung zu setzen, die Unterstützung bei der Bewältigung solcher Ängste bieten kann.

Du coachst auch angehende Fahrlehrer:innen. Was sind die wichtigsten Dinge, die du ihnen beibringen kannst?

Das Angebot richtet sich einerseits an angehende Fahrlehrer:innen, die die eidgenössische Prüfung nicht bestanden haben und andererseits an solche, die vor Prüfungsantritt Lücken bei sich feststellen. Als Dozent und Modulverantwortlicher B1 und B2, als ehemaliger stellvertretender Leiter einer Fahrlehrerfachschule und als Coach in unzähligen Übungsschulungen des Moduls B7 kenne ich die Anforderungen an die Prüflinge genau und erkenne die individuellen Herausforderungen sofort. Ich gehe strukturiert und zielgerichtet vor, sodass Lücken effizient geschlossen werden.

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